DIE IDEE

trennlinie

Die Grundlage für jeden Roman ist eine Idee. Klingt logisch, scheint aber mitunter das größte Problem zu sein. Manchmal besteht die Idee nur aus der Idee, einen Roman zu schreiben. Andere legen sich von Anfang an auf ein bestimmtes Genre fest und suchen innerhalb dessen nach einer Idee. Manchmal ist die Idee nicht stark genug, und trotzdem wird sie bis zum bitteren Ende durchgezogen, anstatt sie zur Seite zu legen oder den Versuch zu unternehmen, sie auszubauen, umzuschreiben oder sie mit einer anderen zu verbinden.

Sie müssen mit dieser Idee konform gehen, sie muss Ihnen liegen. Wenn Ihre Idee nur darin besteht, ein paar Erotikgeschichten zu schreiben, weil "Sex immer geht", Sie aber ganz schrecklich verklemmt sind und im Grunde gar keine Vorstellung davon haben, wie Ihre Sexgeschichte aussehen soll, dann haben Sie de facto keine Idee.

Ähnliches gilt auch für Leute, die meinen, ihre Lebensgeschichte aufschreiben zu müssen. Tun Sie das nur, wenn Sie etwas Besonderes erlebt haben, (ungewöhnliche Lebensumstände, eine schöne Liebesgeschichte, eine Krankheit etc.), beschränken Sie sich auf dieses Erlebnis und verfassen Sie es entweder als eine Art Ratgeber (z. B. wenn Sie eine schwere Krankheit oder Krise gemeistert haben) oder als eine Art Roman, jedoch nicht als Autobiografie. Schließlich sind Sie nicht prominent. Autobiografien gehen letztlich nur dann gut, wenn Sie bekannt sind. Ansonsten sind Sie nur einer von "diesen langweiligen Typen, die von ihrem langweiligen Leben berichten", um es überspitzt zu formulieren. "Das Leben schreibt die besten Geschichten", heißt es, was durchaus stimmt, aber eben nicht immer.

Falls es um eine Reise geht, auf der im Grunde nicht viel passiert ist, ist es besser, Sie lassen persönliche Dinge weitgehend beiseite und schreiben einen Reisebericht mit ein paar schönen Fotos und Insider-Tipps. So etwas bietet sich aber natürlich nur dann an, wenn Sie beispielsweise mit dem Fahrrad durch Südfrankreich gefahren sind, nicht, wenn Sie einen Pauschalurlaub gebucht hatten.

Das sind krasse Beispiele, aber es gibt solche Bücher, und sie es nicht wert, veröffentlicht zu werden, weder in einem Verlag noch im Selfpublishing-Bereich.

Scheuen Sie auf der anderen Seite aber auch nicht vor "bescheuerten Ideen" zurück. Man kann hier ein Werk wie "Fifty Shades of Grey" als Beispiel anführen. Begann als Fanfiction, die aus Lust und Laune geschrieben wurde, und trat dann seinen Siegeszug um die Welt an, obwohl dieses Werk - unter uns gesagt - nicht besonders gut ist. Ist aber egal. Der Erfolg gibt der Autorin recht. Wenn Sie eine konkrete Idee haben, dann verfolgen Sie sie, egal, wie absurd sie erscheinen mag.

Der nächste Schritt ist keineswegs, diese Idee aufzuschreiben, sondern sie zu leben. Tagträumen Sie, führen Sie Selbstgespräche, spinnen Sie sich die Geschichte in Ihrer Fantasie zurecht, schlüpfen Sie in die Haut Ihrer Charaktere und erleben Sie als diese das, wovon die Geschichte handelt.

Als Frau müssen Sie sich dazu auch in Ihre männlichen Charaktere hineinversetzen, als Mann in Ihre weiblichen Figuren. Das mag seltsam klingen, aber wenn Sie sich Ihre Idee nicht bildhaft vorstellen können, Ihre Charaktere nicht kennen, kein Gefühl für sie entwickeln, werden Sie auch keine gute Geschichte schreiben. Außerdem merken Sie so auch schnell, ob und wann Sie an Grenzen stoßen, wann es langweilig wird, wann sich die Idee verliert oder generell nicht so gut ist, wie Sie anfangs dachten.

Spielen Sie die Idee von Anfang bis Ende durch. Zunächst die Grundidee. Ist das der Beginn oder irgendwo mittendrin? Könnten Sie einen Anfang davor setzen, der dazu passt? Wie viele Abzweigungen gibt es, aus denen sich vielleicht neue Ideen entwickeln könnten? Wie soll das Ganze ausgehen? (Das Ende ist entscheidend!)

Klammern Sie sich nicht an Ihrer ursprünglichen Idee fest. Geben Sie Ihrer Fantasie Raum, geben Sie ihr die Möglichkeit, zu expandieren und neue Ideen hinzutreten zu lassen. Vielleicht geht die Geschichten dann nicht so aus, wie Sie anfangs dachten, aber vielleicht merken Sie ja: Hey, das ist viel besser so!

Das Leben der Idee ist der kreative Prozess, der Anteil der Fantasie an der Geschichte. Später werden Sie hauptsächlich mit schnödem Handwerk beschäftigt sein. Kosten Sie diese kreative Phase daher aus.

Sie können sich ein paar Notizen machen, aber besser ist es, das nicht zu tun, sondern die ganze Geschichte weitgehend im Kopf zu haben. Die Idee zu leben, sofern man sich wirklich darauf einlässt, verhindert auch, dass es eine reine "Kopfgeburt" wird. Wenn man die Abenteuer, Gefühle, Ängste etc. tatsächlich nachempfindet, wird sich dies auch im Text niederschlagen. Sie können Emotionen dann besser transportieren.

Das bedeutet nicht, dass Sie ewig mit Ihrer Idee "schwanger" gehen sollen. Es bedeutet nur:
a) Haben Sie ganz generell eine Idee.
b) Denken Sie diese Idee zu Ende. Ein "mal gucken, wohin mich das führt", führt Sie in der Regel nirgendwohin.



Nach oben